Salon im ehemaligen Damenheim
#johannelädtein
#may2019
Johanne betätigt den Türöffner im Flur und öffnet die Wohnungstür. Sie stellt sich in die Tür und wartet. Unten geht das Licht an.
Früher hat Johanne in einer Wohnung im Hinterhaus im fünften Stock gewohnt. Bis ihr Besuch über die Schwelle ihrer Wohnung getreten ist, hat es mehrere Minuten gedauert. Die Schritte der meisten Besucher*innen verlangsamten dabei auf dem Weg und bei der Begrüßung spürte sie ihr kräftiges Ausatmen im Haar.
Johannes Haar endet zwischen Ohren und Schultern, in einem Dazwischen, das bald geschnitten werden müsste. Sie fährt sich beim Warten ein, zwei Mal durchs Haar. Sie lächelt zur Begrüßung. „Du musst die Schuhe nicht ausziehen.“ sagt sie und bittet herein. „Du darfst drinnen rauchen.“, sagt sie dann.
Neben Johanne wird lautstark diskutiert. Sie stellt das Glas auf dem Tisch ab und lehnt sich einen Moment auf dem Stuhl zurück. Seit acht Sommern blickt sie schon durch die drei mal drei Fenster in den Garten. Das Foto von Elli, das neben dem Fenster hängt, hat sie vor zwei Jahren aufgenommen: Elli im Schatten des Blutpflaumenbaumes. Sie mimt die Schriftstellerin, die sie heute ist.
Die Held*innen, die im Zentrum ihrer Geschichten stehen, bedürfen keiner heroischer Eigenschaften. Es gefällt Johanne, wie Elli sich für ihre Figuren interessiert: für deren Weisen, in der Welt ihre ganz eigenen Geschichten zu beginnen. Jedes Mal denkt Johanne, diese Held*innen würde sie gern einmal treffen, bei sich zu Gast haben.
Vor dem Fenster wird es dunkel, das Zimmer spiegelt sich bereits auf den Scheiben. Johanne freut sich auf den Sommer mit seinen langen Abenden, die man im Garten verbringen kann. Jemand berührt sie an der Schulter.
Mit einem Mal ist es still um Johanne. Die Stimmen der Nachbar*innen, die in der Stube weiter plaudern, dringen durch die Wand als verfremdetes Geräusch zu ihr. Johanne rafft den Rock und setzt sich, die Keramik ist sauber, glatt und kühl. Zufrieden hört sie, dass sie aus dem Spülkasten nichts mehr hört, das Ding ist frisch repariert schweigsam. Wenn Elli gekommen wäre, das hätte Johanne gefallen. Einige der Damen höheren Alters wären in helle Aufregung geraten über Ellis neue Erscheinung, den Pagenschnitt, die mondäne Brille und das Notizbüchlein, das sie in der Hand trägt, um jederzeit etwas zu notieren.
Aber auch ohne Elli ist es ein schöner Abend. Den nächsten, im Juni, wollen sie in den Garten verlegen, Paula wird ein Feuer anzünden, sobald es dunkel wird, und davor möchte Johanne eine Fotografie von ihnen allen machen.
Johanne hört die Frauen lachen, am lautesten lacht Paula. Durch die Wand ist zu hören, wie sie zu einer neuen Anekdote ansetzt, derer sie viele zu erzählen hat.
Johanne zieht den Spülzug und steht auf. Die Pflanze auf dem Fensterbrett lässt die Spitzen hängen. Später wird sie sie gießen, wenn die anderen sich verabschieden und durchs Treppenhaus nach Hause steigen, einige hinauf, andere hinab. - lk / mw
aus: Simone Frieling: Im Zimmer meines Lebens. Biografische Porträts über Sylvia Plath, Gertrude Stein, Virginia Woolf, Marina Zwetajewa u.a (2010). S. 7.
#athome
#a place of failure and disappointment
#a place of hope and expectation
#may2020
[…] dass der Schreib-Ort der Ess-Ort der Musik-Ort der Streit-Ort der Spiel-Ort der Glück-Ort der Sex-Ort der Schlaf-Ort ist. Das gibt vielleicht immerhin anekdotisch was her, ob poetisch, das wird sich vielleicht erst in der Rückschau zeigen...
Hier gibt es eine Liste aus unmittelbarster Laptop-Nähe:
Zwei halb ineinandergefaltete Kindersocken
Ein Buch, das jemand zerschnitten und geknickt und dann mit Goldfarbe und Glitzersternen zu einer Art Tannenbaum bearbeitet hat
Mein Deo, mein Kalender und ein Buch, das ich für PROSANOVA wohl nicht fertig lesen werde (don't tell anyone)
Eine komische geschnitzte Trommel
Ein großer Stapel Spiele (Dschungelbuch- und Schnee-wittchen- und König der Löwen-Puzzle, klar, sehr viele Karten, auf denen hinten Magic - the gathering steht)
Eine Box mit einem zusammengeknüllten Wasserball und so Holzdingern
Ein Plastik-Skateboard so groß wie meine Hand
Die Unterlage ist die Kommode für alle Wäsche der Wohnung
Die Tapete ist ein absurder grande dame-Traum aus Blume und Ranke und Rosa-Gelb (in einer sehr kleinen, dunklen Wohnung mit Löchern in den Wänden)
Ich komme also nicht zu besonders viel hier, oder anders: Die Arbeit geht ständig sehr durcheinander und ist ebenfalls alles gleichzeitig. Im Garten haben wir aber immerhin Bohnen gepflanzt, die wir manisch überwachen und heute Morgen habe ich eine gerettet: Die ist nämlich die letzten Tage angestrengt falschrum aus der Erde gewachsen, die Wurzeln immer weiter hoch in die Luft und der Kopf weiterhin unter der Erde. Jetzt hat alles wieder ihre Ordnung. - mw
aus: Simone Frieling: Im Zimmer meines Lebens. Biografische Porträts über Sylvia Plath, Gertrude Stein, Virginia Woolf, Marina Zwetajewa u.a (2010). S. 7.
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aus: Simone Frieling: Im Zimmer meines Lebens. Biografische Porträts über Sylvia Plath, Gertrude Stein, Virginia Woolf, Marina Zwetajewa u.a (2010). S. 7.