caring structures
Ausstellung, Workshops und Publikation
31. Oktober 2020 bis 09. Februar 2021
Angoulêmeplatz 2 / Kunstverein Hildesheim
"Jetzt könnte ein guter Zeitpunkt sein, unsere Vorstellung, wie eine Revolution aussehen könnte, zu überdenken. Vielleicht sind es keine wütenden, leistungsfähigen Körper, die als Demonstrationszug durch die Straßen ziehen. Vielleicht sieht es eher wie ein Stillstehen der Welt aus, weil alle Körper erschöpft sind - Care muss Priorität bekommen, bevor es zu spät ist."
In dem Essay Get Well Soon (2020) skizziert Johanna Hedva ein Szenario, das im Frühjahr 2020 durchaus möglich zu sein schien. Es ist mit dem Appell und der Hoffnung verbunden, dass das Wissen um die universelle Verletzlichkeit aller Körper und die Einsicht in die gegenseitige Abhängigkeit zu einem gesellschaftlichen Umdenken führen. Care zu priorisieren und Sorgearbeit zu leisten und/oder auf Sorgearbeit angewiesen zu sein, bedeutet in einer kapitalistisch strukturierten Gesellschaft immer auch, in Reibung mit den normierten und normierenden Vorstellungen von Produktivität und Leistung zu kommen. Es ist an der Zeit, den Ableismus der Gesellschaft grundsätzlich in Frage zu stellen.
Um einen Raum für ein kritisches und zukunftsweisendes Nachdenken über Sorgetragen zu eröffnen, bringt die Ausstellung caring structures Arbeiten verschiedener Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Akti-vist*innen zusammen. Sie forschen in Archiven zur selbstorganisierten Gesundheitsversorgung, denken über das Einander-Begegnen in Krisen nach, formulieren das Manifest einer queeren und inklusiven Utopie, portraitieren Care-Arbeitende, recherchieren Naturheilmethoden im Internet und geben Stimmen Raum, die nicht nur von Gesundheitssystemen strukturelle Diskriminierung erfahren. In Sound- und Videoarbeiten, Zines, Aquarellen und Plakaten verweben sich aktivistische und subversive Taktiken mit dokumentarischen und poetischen Erzählweisen. Die Arbeiten regen zu einer Auseinander-setzung mit strukturellen wie individuellen Dimensionen von Care an und lösen die binären Vorstellungen von ,krank’ und ,gesund’, ,leistungsfähig’ und ,be_hindert’ auf. Dabei werden sorgetragende Strukturen erkennbar, die queer*feministische und kontrarassistische Forderungen ernst nehmen. Sie ermöglichen, sich eine inklusive und gewaltfreie Zukunft vorzustellen.
Wie würde die Welt aussehen, wenn wir radikal mitdenken, dass wir alle von Krankheit betroffen sind?
Text: Nora Brünger / Leona Koldehoff
In Zusammenhang mit der Gruppenausstellung caring structures haben wir ein Reader (dt/eng) veröffentlicht, der textbasierten Arbeiten der beteiligten Künstler*innen, Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen sowie eine Bücherliste beinhaltet. Der Reader wurde von Franziska Bauer und Rebekka Weihofen gestaltet. Er steht hier als PDF zu Verfügung.
Kuratiert von Nora Brünger und Leona Koldehoff
mit edna bonhomme, Lizza May David & Claudia Liebelt, feministische Gesundheitsrecherche-gruppe (Julia Bonn / Inga Zimprich), Agnieszka Habraschka, Johanna Hedva, Sophie Krambrich,
Fotos: Samule Henne
“Now might be a good time to rethink what a revolution can look like. Perhaps it doesn’t look like a march of angry, abled bodies in the streets. Perhaps it looks something more like the world standing still because all the bodies in it are exhausted—because care has to be prioritized before it’s too late.”
In the essay Get Well Soon (2020), Johanna Hedva presents a scenario that seemed quite possible in Spring 2020. It acts as an appeal and a hope that the knowledge of universal vulnerability of all bodies and the acceptance of our mutual dependence on one another will lead to the re-thinking of society. In a capitalistically structured society, prioritizing the giving and taking of care and-or relying on care work also means experiencing friction with the normative understandings of productivity and achievement. Now is the time to fundamentally question ableism in society.
In order to make space for critical and forward-thinking contemplation on care, the exhibition caring structures connects the works of various artists, scholars, and activists. They research in archives about self-organized health care, reflect on how to meet eachother in crisis, present film portraits of care-workers, formulate a manifesto about a queer and inclusive utopia, research natural healing methods on the internet, and give space to voices that experience structural discrimination inside and outside of the health care system. Through video and sound works, zines, watercolors, and posters, activist and subversive tactics are interwoven with documentary and poetic narratives. The works inspire an examination of the structural and individual dimensions of care and disentangle the binary understandings of ‘sick’ and ‘healthy’, ‘abled’ and ‘disabled’. In doing so, we can identify the structures of care that are sincerely responding to queer-feminist and anti-racist demands. They make it possible to envision a future that is non-violent and inclusive.
What would the world look like if we radically acknowledged that we are all affected by sickness?
Text: Nora Brünger / Leona Koldehoff Translation: Lane Peterson
We have published a reader in conjunction with the exhibition caring structures. The reader gathers the text-based works by the participating artists, scientists and activists as well as a reading list and is designed by the graphic designers Franziska Bauer and Rebekka Weihofen.
If you would like to download the reader, please click here.